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Ein Nachmittag im Spielemuseum

Spielemuseum Chemnitz

Letzte Woche waren wir im Chemnitzer Spielemuseum, welches eigentlich Deutsches Spielemuseum heißt, von allen Leuten aber immer nach der Stadt in welcher es steht, benannt wird. Wir sind zu Fuß vom Campus aus hingelaufen: Über den Südbahnhof zum Uniteil Raabestraße, dann durch den Stadtpark und das Wohnviertel dahinter. Auf dem Plan der Verkehrsbetriebe sah der Weg so kurz aus, aber das täuschte doch ziemlich. Das Spielemuseum liegt  etwas versteckt in der Neefestraße, kurz vor der Messe Chemnitz, und damit an der gleichen Buslinie (Nr. 23) mit der man sonst zu IKEA fährt.

Zunächst schreckt vielleicht die Namenskombination aus „Spiele“ und „Museum“ etwas ab, nichts ist schließlich langweiliger als sich Brettspiele in verschlossenen Glaskästen anzuschauen – ohne die Möglichkeit selbst die Würfel rollen zu lassen. Doch genau das ist im Deutschen Spielemuseum Chemnitz anders: In einem großen Raum stehen über 2000 (!) Brettspiele zur Wahl, welche sich komplett ausprobieren und spielen lassen. Getragen wird das Museum von einem gemeinnützigen Verein, in welchem praktisch alle wichtigen Spieleverlage Deutschlands Mitglied sind. Allein über die Eintrittspreise (Normal: 4 Euro, Kinder und Studenten: 2 Euro) liesse sich solch eine Einrichtung wohl auch kaum finanzieren.

Wir entschieden uns nach kurzem Überlegen für „Thurn und Taxis“, das Spiel des Jahres 2006. Schnell den Spielplan aufgebaut und die Anleitung vorgelesen. Das Szenario spielt im beginnenden 16. Jahrhundert, es geht darum Postkurierstrecken zwischen bedeutenden Städten in Baiern, Württemberg, aber auch der Schweiz und Polen zu bauen und damit möglichst viele Siegpunkte zu sammeln. Dazu zieht man Städtekarten, sammelt Kutschenpunkte und versucht in möglichst vielen Städten Dependancen zu eröffnen. Ein sehr kurzweiliges strategisches Brettspiel!

Brettspiele Chemnitz

Nach einer Runde (ich habe knapp vor Wiebke gewonnen) haben wir uns dann noch an zwei weiteren Spielen versucht: Einmal König & Konsorten, was sich als Mau-Mau-Variante mit etwas schrägen Sonderregeln entpuppte. Und dann noch am Spiel zur Auswanderer-Sendung „Mein neues Leben“, welches aber wie viele Umsetzungen von Serien und Filmen ziemlich dröge daherkam. Das Auswandern in ein fremdes Land war wesentlich vom Würfelglück bestimmt, es ging eigentlich nur darum möglichst viel Geld zu sammeln (welches einem durch lästige Sonderkarten ständig wieder weggenommen wurde) und einen gut bezahlten Job (Chirurg 7000 Euro) über möglichst viele Runden auf der Hand zu halten. Merke: Wenn man seinen Job verliert, ist man nicht arbeitslos – dafür braucht man nämlich die Arbeitslosenkarte (500 Euro Einkommen).

Spielemuseum Chemnitz 2

Einer der großen Vorteile des Spielemuseums ist sicher, dass man praktisch alle aktuellen Brett- und Kartenspiele unbegrenzt ausprobieren kann. Gefällt einem ein Spiel, kann man es ja später immer noch für Zuhause kaufen. Wer mehr auf digitale Unterhaltung steht, hat die Möglichkeit an verschiedenen Konsolen (Sony PS3, Nintendo Wii, Gamecube etc.) zu zocken oder zum Abschluß eines schönen Nachmittags noch eine gepflegte Runde zu Kickern.

Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 13 bis 18 Uhr, am Wochenende von 13 bis 19 Uhr. Es empfiehlt sich gleich Mittags schon hinzugehen und so die Spielzeit voll auszunutzen.

Die Kapitalisierung von Marx

Das bekannteste Wahrzeichen der Stadt Chemnitz ist immer noch zweifellos der Karl-Marx-Kopf an der Kreuzung Brückenstraße/Straße der Nationen. Weder das alte Rathaus noch der Rote Turm haben dem Nischel – wie die sieben Meter hohe Bronzebüste von den Einheimischen liebevoll genannt wird – bislang den Rang ablaufen können. Anfang Juni 2008 tat sich an dem eher trostlosen Skatertreff plötzlich etwas: Bauarbeiter verkleideten das Marx-Monument mit weißen Planen. Doch nicht etwa um dem alten Vordenker des Kommunismus mit Bürste und Waschschaum zu Leibe zu rücken und ihn blitzblank herauszuputzen. Nein, hinter dem Baugerüst wurde das Temporary Museum of Modern Marx (TMoMM) neu eröffnet. Im Inneren führen Metalltreppen um den Kopf herum und man kann dem Philosophen direkt in die Augen schauen. Außerdem gibt es ein Bücherregal mit dem Kapital und einen Kopfhörer mit dem Kapital-Hörbuch.

Alles in allem recht wenig für 2 Euro Eintritt. Wenn man böswillig ist könnte man sagen, dass aus dem Allgemeingut Marx-Kopf, welchen man normalerweise kostenlos anschauen kann, ganz schön Kapital geschlagen wird. Und Karl Marx selbst würde sich vermutlich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste wie er hier mit aufgeblasenen Begründungen kapitalisiert wird. Wer will, dass sich die Stadtbewohner mehr mit Werk und Wirkung auseinandersetzen sollte auch ausreichend Material dafür liefern.