Normalerweise hängen am Schwarzen Brett der Universitätsbibliothek Ankündigungen für längst vergangene Veranstaltungen, Verkaufsannoncen für Schränke und Sofas und Nachmietergesuche. Heute blieb mein Blick jedoch an einem anderen Zettel hängen. Es war die großformatige Kopie eines Faxes eines gewissen Matthias J. (Name gekürzt) an die sächsische Staatsministerin Eva Maria Stange und schon der Betreff versprach Spannung: „Die gegen mich gerichtete ständige schwere Belästigung an der Technischen Universität Chemnitz“ prangert der Schreiber dort nämlich an. Es folgt ein überaus skurriles Schreiben, in welchem Matthias J. seine Forschungsschwerpunkte („illegale Produktion von Waffen“, „mafiöse Netzwerke“, „historische Industrialisierung in Sachsen“, „Holochaust“ [sic]) darlegt und auf seine persönliche Bedeutung hinweist („Ich unterhalte Beziehungen zum Cold War International History Project des Woodrow Wilson […] sowie zu weiteren Internationalen Einrichtungen und Medien“). Erst dann kommt er zum Kern seines Problems:
Voraussetzung das ich meine Forschungseinrichtung in Sachsen betreibe ist, das die ständige Bespitzelung und Belästigung der Studentenschaft aufhören. Zum Beispiel ärgert mich die Studentenschaft mit absichtlichem lautem Lachen, obwohl ich über traurige Sachen forsche.
schreibt J. unter bemerkenswerter Missachtung gängiger Regeln zur Verwendung von ‚das‘ und ‚dass‘ und will vermutlich auch nicht, dass die Belästigung der Studentenschaft aufhört, sondern vielmehr die Belästigung DURCH die Studentenschaft. Doch das erscheint als sprachwissenschaftliche Besserwisserei, denn J. scheint es sehr ernst zu sein mit dem Gelächter:
Ich bekomme bei so einem Verhalten eine Innere Zerrissenheit. Ich weiß nicht wie ich reagieren soll und kann nur resignieren und abwandern. Meine Bemühungen den Rektor Herrn Professor Matthes einzuschalten, damit die Belästigungen aufhören, sind gescheitert.
Manchmal reicht eben auch ein Lachen aus, um einen bedeutenden investigativen Forscher und Mafia-Experten zur Verzweiflung bzw. ins Exil zu treiben. Ich bin sicher, dass sich die Staatsministerin umgehend um diesen Fall kümmern wird und entsprechende Schritte gegen das Gelache, aber auch Gegluckse, Gekicher oder Gegacker an der TU Chemnitz einleiten wird. Falls dem nicht so ist, hat Matthias J. jedenfalls noch einen Trumpf in der Hinterhand:
Im Falle meiner Abwanderung würde die Washington Post oder die New York Times einen entsprechenden Bericht über meine Forschungen und die mir umgebene Gesellschaft veröffentlichen.
Spätestens dann wird sicher doch noch alles gut.